1938–1945: Verfolgung von Romnija und Roma
NS-Gewalt und der lange Weg zur Anerkennung
Von Anfang an hetzte die NSDAP auch gegen „Zigeuner“. Diese abwertende Bezeichnung wurde neben anderen Gruppen überwiegend Menschen gegeben, die sich selbst als Roma (Männer) oder Romnija (Frauen) bezeichneten und bezeichnen. Die Verfolgung begann unmittelbar nach dem sogenannten „Anschluss“ im März 1938. Schon bei der folgenden Volksabstimmung wurden Rom*nija ausgeschlossen. Besonders groß war diese Bevölkerungsgruppe im Burgenland, wo es deren Kindern im Herbst 1938 untersagt wurde, die Schule zu besuchen. 1939/40 wurde dieses Schulverbot im ganzen Bereich des früheren Österreich durchgesetzt und erst 1941 auf das gesamte Deutsche Reich ausgeweitet. Wie mehrere andere Beispiele zeigt diese staatliche Diskriminierung, wie österreichische Nationalsozialist*innen Methoden der Verfolgung entwickelten, die dann auch von Berlin übernommen wurden. Ähnliches betrifft die Internierung in Zwangsarbeitslager, die schon 1938 eingeführt wurde. Sie betraf auch Roma, die eine feste Arbeit hatten. Zynischerweise rechtfertigten die NS-Behörden diese Verfolgung damit, dass „Zigeuner“ angeboren „arbeitsscheu“ und „kriminell“ seien. 1939 fanden bereits die ersten Deportationen in Konzentrationslager statt, von denen auch Romnija, also Frauen, betroffen waren. Anders als im deutschen „Altreich“ konnte diese Verfolgung so schnell organisiert werden, weil noch in der Zeit der demokratischen Ersten Republik eine Kartei mit jenen Menschen angelegt worden war, die als „Zigeuner“ oder „Zigeunerinnen“ betrachtet wurden. Diese dienten als Vorlage für die Deportationslisten.
Die zweite Phase der Verfolgung begann im Oktober 1939, als die SS anordnete, dass alle Gruppen, die mit Pferden oder anderen Wagen unterwegs waren, an jenen Orten festgehalten wurden, wo sie sich gerade befanden. Dies sollte es dem NS-Terrorapparat erleichtern, sie zu ergreifen. Gleichzeitig wurden „Zigeunerlager“ errichtet, in denen Männer, Frauen und Kinder unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt, zur Arbeit gezwungen und schließlich ab 1941 weiter deportiert wurden – meist in Vernichtungslager. Solche „Zigeunerlager“ befanden sich in Österreich in zahlreichen Gemeinden, nicht überall ist das heute überhaupt noch bekannt. Das größte befand sich in Lackenbach (Burgenland), außerdem gab es Lager in Weyer-St. Pantaleon (Oberösterreich), Salzburg-Maxglan sowie in Fürstenfeld, Murau-Triebendorf, Leoben, Knittelfeld, Kobenz und St. Lambrecht (alle Steiermark). Rom*nija beschwerten sich bei lokalen und übergeordneten NS-Behörden, versuchten vergeblich, ihre Angehörigen oder sich selbst mit schriftlichen Eingaben aus der Internierung zu befreien, oder protestierten auf andere Weise gegen die Verfolgung.
Die dritte Phase begann schließlich 1943, als die SS alle verbliebenen Rom*nija nach Auschwitz-Birkenau deportierte. Im August 1944 wurden bis auf wenige jüngere Häftlinge, die für Zwangsarbeit benötigt wurden, alle Inhaftierten des sogenannten „Zigeuner-Familienlagers“ Auschwitz-Birkenau in den Gaskammern ermordet.
Von den geschätzten 11.000 Rom*nija, die 1938 österreichische Staatsbürger*innen waren, überlebten nur etwa 1.500 bis 2.000 den Völkermord. Die örtlichen Gendarmerieposten beschwerten sich noch 1945, dass die „Zigeunerplage“ nicht gelöst sei. Rom*nija wurden lange nicht als „richtige“ KZ-Opfer betrachtet und die NS-Vernichtungspolitik insgeheim gutgeheißen. Dass Gesellschaften in ganz Europa sich der Perspektive der Opfer stellen mussten, ist österreichischen Überlebenden zu verdanken, allen voran Ceija Stojka, die ab den 1980er Jahren unermüdlich ihre Geschichte als verfolgte Romni durch Bücher, Gemälde, Filme und in Schulklassen verbreitete.